Bericht über die Exkursion von Kieler/Flensburger Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung am 21. April 2023 zum „Deutschen Elektronen-Synchrotron“ (DESY) in Hamburg

Die Anreise nach Hamburg erfolgte mittels vier Privat-PKW aufgrund des am gleichen Tag stattfindenden Streiks beim öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und Fernverkehr. Auf dem DESY-Gelände standen nach Anmeldung beim Pförtner genügend Parkplätze in fußläufiger Nähe zur Verfügung. Am Treffpunkt beim Zentrum für Röntgenstrahlung und Nanowissenschaften (vor der roten Treppe, siehe Fotos) wurden wir von Prof. Kipp begrüßt. Das Programm bestand in der ersten Stunde aus zwei Vorträge, danach gab es einen Imbiss, gefolgt von einer Führung über das Gelände zu verschiedenen Messstationen.

Prof. Kipp (Ruprecht-Haensel-Labor der CAU / DESY) erläuterte den anlagentechnischen Aufbau des DESY und führte in die physikalischen Prinzipien der Synchrotron-Strahlung ein. So emittieren Elektronen (sowie Positronen) bei starker Beschleunigung (auch gleichbedeutend mit Abbremsung oder Richtungsänderung) Röntgenstrahlung. Die Röntgenstrahlung durchdringt einige Materialien stärker und andere weniger stark und erlaubt so, in und durch feste Körper „hindurchzugucken“. Entdeckt wurde dieser Effekt bekanntermaßen von Wilhelm C. Röntgen. Zudem ging Prof. Kipp auf die historische Entwicklung des DESYs ein. Ruprecht Haensel war als Kieler Physikprofessor maßgeblich am Aufbau des heutigen DESYs beteiligt und ein Pionier in der modernen Synchrotron-Forschung. Hinzu kamen Informationen u.a. zu der Finanzierung (ca. 250 Mio. Euro pro Jahr), zu der Zahl beteiligter Wissenschaftlerinnen (ca. 3000/Jahr) und dem derzeitigen Stromverbrauch (ca. 160 GW pro Jahr). Die organisatorischen Verbindungen zu verschiedenen Institutionen (u.a. CAU) ermöglichen eine thematisch (und finanziell) vielfältige Nutzung von DESY, das im Dauerbetrieb arbeitet.

PD Murphy (CAU/„Center of Molecular Water Science“, CMWS – DESY) berichtete über ihre Forschung: U.a. die Mikrostruktur sowie die verschiedenen Aggregatzustände von Wasser, die selbst und in ihrem Wechsel untereinander noch nicht vollends aufgeklärt sind, einmal abgesehen von der aktuellen Frage der Wasserstoffgewinnung im Bezug auf die Energiewende. Dazu thematisierte sie ebenfalls den Umgang mit den sehr großen Datenmengen, die am DESY erzeugt werden (mehrere Peta Bytes!), für dessen wissenschaftliche Zugänglichbarmachung im Rahmen der FAIR-Richtlinien (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable) sich das DESY einsetzt.

Nach dem Steh-Imbiss erklärte Prof. Sondermann im „Center of Structural Systems Biology“ (CSSB – DESY) die Thematik in den verschiedenen Arbeitsgruppen: Die grundlagenwissenschaftliche Erforschung aller pathogenen Erreger (mit Ausnahme von Hefen und Pilzen) in Laboren bis hoch zur Schutzstufe (BSL) 3 von 4 möglichen Schutzstufen.

Aufgeteilt in zwei Gruppen wurden die Stipendiaten von Prof. Kipp und Prof. Müller zu den Beschleunigeranlagen mit einzelnen Messstationen geführt:

Zuerst wurde dabei der große Ringbeschleuniger „Positronen-Elektronen-Tandem-Ring-Anlage“ (PETRA III) vorgestellt. Bei ihm handelt es sich um einen klassischen Synchrotron-Ringbeschleuniger mit einem Durchmesser von gut 730 Metern. Der Ring wird dabei primär als Lichtquelle für fokussierte Röntgenstrahlung verwendet. Konzipiert als Speicher für (hoch-) beschleunigte Elektronen (und Positronen) bewegen sich bei diesem die Teilchen auf einer Kreisbahn und emittieren durch die permanente Richtungsänderung (= Beschleunigung) Röntgenstrahlung. Diese wird immer tangential, in einer Geraden ausgehend von der Kreisbahn, abgestrahlt. Entlang von PETRA sind daher zahlreich gerade Auswüchse, die sogenannte „Beamlines“ angesiedelt, an denen Messgeräte und Messstationen errichtet werden können. Einige davon gehören zum Ruprecht-Haensel-Labor. Von diesen wurde den Stipendiatinnen drei vorgestellt:

Dr. Krywka präsentierte die NANOFOCUS Messstation. Sie erklärte uns, dass bei dieser durch spezielle Spiegel und Linsen weiter stark fokussiertes Röntgenlicht beispielsweise dazu genutzt werde, die Dicke der kratzfesten Schicht im Handyglas zu untersuchen. Dies wäre mit herkömmlichen Mikroskopen etc. nicht möglich.

Herr Buck stellte das „Angle-, Spin-, and Position-Resolving Photoelectron Spectrometer“ (ASPHERE) vor. Mit diesem kann die Atomare- oder Molekularstruktur einer festen, flüssigen oder gasförmigen Probe untersucht werden und Aussagen über die beinhalteten Stoffe getroffen werden. Im Gegensatz zur vorherigen Station wird hierbei explizit nur sogenannte „weiche Röntgenstrahlung“ (statt „harter“) verwendet. Die muss aufgrund der geringeren Energie weniger stark abgeschirmt werden, da sie bereits nach wenigen Millimetern an der Luft ausgebremst ist. In der Probenkammer wird daher ein annäherndes Vakuum erzeugt.

Die dritte Station „Special Diffractometer for Liquid Surfaces and Interfaces“ (LISA) wurde von Frau Hövelmann vorgestellt. Hier werden durch Spiegelumlenkung flüssige Oberflächen wie zum Beispiel Wasser mit (der harten) Röntgenstrahlung untersucht.

Nach dem Ringbeschleuniger PETRA III ging es weiter zum 315 Meter langen Linearbeschleuniger „Freie-Elektronen-Laser in Hamburg“ (FLASH). Dieser wurde Jan Schunck und Robin Engel vorgestellt. Im Unterschied zum Ringbeschleuniger erlaubt ein Linearbeschleuniger deutlich kürzere Lichtpulse im fs-Bereich (Femtosekunden, Femto = 10-15) statt im ps-Bereich (Pikosekunden, Piko = 10-12) mit (noch) höherer Fokussierung, was es zum Beispiel erlaubt molekulare oder auch atomare Prozesse „live“ zu untersuchen und besser zu verfolgen.

Eine Abschlussrunde ließ das Erlebte rekapitulieren. Wir bedankten uns für die eindrucksvolle und hervorragend organisierte Führung. Die Stipendiaten der Studienstiftung bedankten sich anschließend ganz herzlich bei Prof. Stephani für seine Initiative und die Organisation des Ausflugs zum DESY.

Gez. Ulrich Stephani, Jakob Jacobsen, Anna Barthel

 

Originalstimmen von teilnehmenden Studierenden:

„Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich bei Ihnen für die Organisation einer tollen Exkursion, und freue mich, … einen Beitrag zum Zustandekommen geleistet haben zu können!“

„Noch einmal herzlichen Dank für die Organisation und die schöne Möglichkeit, einen Einblick in die Forschungsanlage zu erhalten!“